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News vom 27.05.2023Staatspreis MANUFACTUM

Erneut wird mit dem bereits seit 1963 vergebenen Staatspreis die Schwelle zwischen Handwerk und Design, Gestalt und Konstruktion in vielfältiger Weise überschritten.

Köln/Aachen. Der „Staatspreis für angewandte Kunst und Design im Handwerk des Landes Nordrhein-Westfalen“ wurde auch in diesem Jahr wieder in sechs Kategorien vergeben. Dabei wurde aus dem „Staatspreis für das Kunsthandwerk“ zum ersten Mal der „Staatspreis für angewandte Kunst und Design im Handwerk“, wobei Wettbewerb und Ausstellung wieder im Auftrag der Landesregierung NRW von der Beratungsstelle für Formgebung der Handwerkskammer Aachen, Gut Rosenberg, durchgeführt wurden.

Kulturschaffende, für die es wichtig erscheint, Entwurf und Produktion in einer Hand zu vereinen, sind meist Individualisten und Spezialisten mit besonderem Interesse an Form, Farbe und Funktion. Viele verfolgen bestimmten Themenbereiche ihr ganzes Arbeitsleben und erreichen so eine Tiefe und Brillanz, die die Betrachtenden staunen und genießen lässt.

Die Preise wurden am 27. Mai durch den Schirmherrn Ministerpräsident Hendrik Wüst gemeinsam mit der Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen, Mona Neubaur, im großen Sendesaal des WDR feierlich verliehen.

In der Kategorie Bild- und Druckmedien erhielten Saurabh Narang und Anastasiia Reshetnyk aus Gummersbach den Staatspreis MANUFACTUM 2023. Irina Kolesnikova aus Leverkusen gewann in der Kategorie Kleidung und Textil und Susanne Beyer aus Köln in der Kategorie Möbel. In der Kategorie Objekt und Skulptur wurde Hans Leo Simons aus Alsdorf für den Bereich Skulptur und Wilfried Grootens aus Kleve für den Bereich Objekt ausgezeichnet. Heike Schirmer aus Wassenberg gewann in der Kategorie Schmuck den Staatspreis MANUFACTUM 2023.

Die nominierten Arbeiten sind bis zum 13. August in einer Sonderausstellung im MAKK – Museum für Angewandte Kunst Köln zu sehen. Hier haben die Besucherinnen und Besucher zudem die Möglichkeit, sich für ihr „Lieblingsstück“ zu entscheiden und über einen Publikumspreis abzustimmen. Junge und angehende Handwerkerinnen und Handwerker können sich kostenfrei einer der für sie speziell organisierten Führungen während der Ausstellungszeit anschließen. Wer einzelne Preisträgerinnen und Preisträger sowie deren Arbeiten intensiv kennenlernen möchte, sollte die Vorträge besuchen, die im Juni im MAKK stattfinden.

Seit 60 Jahren ist der traditionsreiche Wettbewerb MANUFACTUM eine Leistungsschau des gestaltenden Handwerks in Nordrhein-Westfalen und mit insgesamt 60.000 Euro einer der bedeutendsten Preise seiner Art in Deutschland. In der Ausstellung MANUFACTUM 2023 finden sich außergewöhnliche Arbeiten. Neben Werken bekannter, langjährig tätiger und versierter Kunsthandwerker und produzierenden Designer finden sich wieder interessante Beiträge von jungen, erstmals vertretenen Kulturschaffenden. Auch in diesem Jahr sind sowohl Kunsthandwerker, die sich in ihrem Material und ihrer Formensprache besonders ausdrücken, vertreten, wie auch Gestalterinnen und Gestalter, die Materialgrenzen überschreiten und sich eher dem Bereich des Designs zuordnen lassen. Eine spannende Auseinandersetzung, die traditionelle und neue Techniken nebeneinander zeigt und in beiden Bereichen besondere Qualität hervorbringt.

„Wir freuen uns sehr, dass das Wirtschaftsministerium die Handwerkskammer Aachen wieder mit der Durchführung des Wettbewerbs und der Ausstellung der sechs Staatspreise im Handwerk beauftragt hat. Auch in diesem Jahr sind wir sehr stolz auf das Rahmenprogramm: Zum dritten Mal gibt es Führungen für junge Handwerkerinnen und Handwerker. Diese waren in der Vergangenheit sehr impulsgebend. Diesmal neu: das begleitende Vortragsprogramm; fünf Vorträge von Staatspreisträgerinnen und Staatspreisträgern, die über ihren Werdegang, ihren Gestaltungsansatz und ihre Herangehensweise berichten“, sagte Organisatorin und Kuratorin Beate Amrehn von der Handwerkskammer Aachen. 

Die Preisträger

Kategorie Bild- und Druckmedien: Saurabh Narang und Anastasiia Reshetnyk

Über Nacht wurde ein Altenheim in eine Flüchtlingsunterkunft umgewandelt, um die aus den Kriegsgebieten ankommenden Menschen zu beherbergen. Die Annäherung an diese neuen Nachbarinnen und Nachbarn beginnen die beiden Geschichtenerzähler Saurabh Narang und Anastasiia Reshetnyk aus Gummersbach mit einer Serie von Portraitaufnahmen. Die Fotografien vermitteln mit Licht und ihrer Dunkelheit auf subtile Weise gleichzeitig Einsamkeit und Zusammenhalt, Würde und Verletzlichkeit, Liebe und Hoffnung. Die Jury befand: „Durch den Einsatz des Mediums Fotografie in seiner ganz ursprünglichen Bedeutung – dem Zeichnen mit Licht – wird das Wesentliche des Moments, die menschliche Würde und die innere Stärke jedes Einzelnen wahrnehmbar.“

Kategorie Kleidung und Textil: Irina Kolesnikova

In der Technik der Tapisserie arbeitet die Leverkusenerin Irina Kolesnikova eine gestische Zeichnung ins Gewebe. Sechs einzelne Gewebeteile, präzise aneinandergesetzt, bilden das Palimpsest. Auf einen verblassten Grund zeichnet sie fließende Linien, Schriftzeichen und großzügige Pinselschwünge. Was wie mit dem Pinsel aufgetragen zu sein scheint, ist feinstes Gewebe. Das zeitaufwändige Weben eines Gobelins steht im Gegensatz zu dem flüchtigen Motiv einer Tuschezeichnung. Die Jury war berührt von der anmutigen und zarten Webarbeit, in der Irina Kolesnikova präzises handwerkliches Können mit künstlerischer Souveränität vereint.

Kategorie Möbel: Susanne Beyer

Die einzelnen Scheiben des Raumteilers aus Hainbuchenfurnier von Susanne Beyer sind in senkrechter Reihung mittels Baumwollbändern und feinen Ebenholzstäbchen aufgefädelt. Jede einzelne Scheibe besteht aus zwei Lagen Furnier, die um 90 Grad verdreht miteinander verleimt sind. Diese besondere Technik erzeugt eine Spannung innerhalb des Holzes und verformt es konkav-konvex. Mit acht Reihen aus jeweils 27 Scheiben nebeneinander erschuf die Kölnerin einen filigranen, flexiblen Raumteiler, der beidseitig eine hohe ästhetische Wirkung entfaltet. Lichteinfall transformiert die dünnen Holzscheiben zu einem diaphanen Material, das durch Luftbewegung oder Berührung ein sensibles Eigenleben entwickelt. Die durchgängige Gestaltung des Entwurfs und die perfekte handwerkliche Umsetzung dieses außergewöhnlichen Objektes hat die Jury überzeugt und zu einem einstimmigen Urteil geführt.

Kategorie Objekt und Skulptur: Hans Leo Simons (für den Bereich Skulptur)

Das Metallobjekt „Gitterwerk“ von Hans Leo Simons aus Alsdorf ist als Schutzgitter für eine Reliquienkammer konzipiert. Einfache Flachstähle sind schräg eingeschnitten, die entstandenen dreieckförmigen Ausschnitte um 90 Grad gebogen. Aneinander gereiht entsteht eine serielle Flächengestaltung mit dreidimensionaler Tiefenwirkung. Horizontale und vertikale Linien, das Davor und Dahinter verschmelzen und der Flachstahl wird zur komplexen plastischen Komposition, die mit Licht und Schatten, Transparenz und Tiefe spielt und so die gewünschte Schutzwirkung erzeugt. Das Urteil der Jury: Eine Arbeit, die durch ihre Schlichtheit auf sich aufmerksam macht und deren Ästhetik und Tiefe sich bei näherer Betrachtung mehr und mehr erschließen.

Wilfried Grootens (für den Bereich Objekt)

Die meisterliche Umsetzung und die poetische Wirkung des Objektes von Wilfried Grootens aus Kleve beeindrucken nachhaltig. 35 industriell gefertigte Weißglasscheiben sind handbemalt, geschichtet und miteinander verklebt. Durch die Verklebung werden die Reflektionsflächen der einzelnen Scheiben aufgelöst, es entsteht große räumliche Tiefe. Je nachdem, welche Perspektive der Betrachtende einnimmt, entstehen große Überraschungen beim Betrachten des Inneren und das als real empfundene Bildereignis wird in Frage gestellt.

Kategorie Schmuck: Heike Schirmer

Zwei hauchdünne Körpergefäße, verbunden durch eine Silberkette, hälftig geschwärzt, zeigen das Selbstverständnis des handwerklichen Könnens der Wassenbergerin Heike Schirmer. Durch das Falzen der Flächen eröffnen sich geometrische Räume, die dem Prinzip des Papierfaltens folgen. Das Schmuckobjekt kommt ohne Erhitzung, ohne die klassische Verbindungstechnik des Lötens aus und macht sich auf diese Weise die Aufrechterhaltung der Materialhärte zunutze, die dem Konstruktionsprinzip zugrunde liegt. Der spielerische Umgang mit Form und Technik aus verschiedenen Gewerken und die damit geschaffene Durchlässigkeit, die Raum für Assoziationen lässt, überzeugen die Jury bei diesem Objekt.

Mehr zum Preis sowie zur Ausstellung: www.staatspreis-manufactum.de, www.makk.de