
Fleischermeister Wolfgang Flachs hat in seinem Leben viel unternommen, um für sein Handwerk zu werben, Qualität zu erhalten und junge Menschen in den Beruf zu bringen.
Interview mit Wolfgang FlachsBotschafter und Ausbilder aus Fleisch und Blut
Wolfgang Flachs blickt zurück.
Interview von Elmar Brandt
Wolfgang Flachs ist Fleischermeister, er war Obermeister, Betriebsinhaber, Macher, Botschafter und auf vielen Ebenen engagiert. Er hat als Dozent in Eupen deutsche und belgische Auszubildende und Meisterschüler gemeinsam unterrichtet. Als solchen hat die Handwerkskammer vor geraumer Zeit den nun 80-Jährigen, immer noch sehr aktiven Handwerker aus Fleisch und Blut, verabschiedet.
Eine Bilanz:
Herr Flachs, Sie haben so viel für das Handwerk gemacht und im Handwerk erlebt. Wo sollen wir anfangen?
Flachs: Meine berufliche Vorgeschichte ist schon sehr lang. Ich bin sicher Vorreiter gewesen für viele Projekte. Also, ich war mit 20 schon Fleischermeister, übernahm den Betrieb meines Vaters in den frühen 1970er Jahren und bin der Erste gewesen, der einen bundesweiten Wurst- und Fleischversand für Lebensmittel-Allergiker ins Leben gerufen hat. Ich habe damit besonders die Allergiker bedient, die offensichtlich mit einer belastenden Situation, meistens für ihre an Neurodermitis erkrankten Kinder, zu kämpfen hatten, als Deutschland mit zwölf Euro-Ländern die EWG (Europäische Wirtschaftsgemeinschaft) bildeten. Die EU (Europäische Union) gab es ja noch nicht.
Damals wurden aus allen Ländern Europas Wurstwaren und Schinken nach Deutschland importiert, die nicht den Vorgaben der Lebensmittelbuchkommission Deutschlands entsprachen. Ohne Deklaration und mangels der späteren Allergenverordnung verursachten die Produkte, vor allem das Casein, Probleme in Form von Hautentzündung, Anschwellung der Atemwege und schrecklichem Juckreiz.
Das Casein hat auch technologische Vorteile bei der Einarbeitung in erhitzen Wurstwaren, weil es ein Absetzen beziehungsweise die Trennung von Fett und Wasser verhindert.
Aufgrund dieser Belastung für Neurodermitis-Erkrankte musste ich alle Würzungen kontrollieren und bin letztendlich wieder zurückgegangen zu den Rezepturen meines Großvaters und meines Vaters. Durch eine befreundete Ärztin und Kundin entstand eine enge Beziehung zum Deutschen Allergie- und Asthmabund. Das sprach sich rund, am Ende habe ich bis zu einer Tonne Wurst in der Woche produziert. Und das bis 2004. Dann musste ich aus gesundheitlichen Gründen aufhören und habe meinen Online-Versand, meinen Namen, meine Kunden und meine Rezepturen weitergeben. Es fand sich am Ende ein Hamburger Betrieb, der peinlich genau wie ich arbeitet, und das läuft bis heute noch sehr gut.
Wie kamen Sie dann zu Ihrer Dozententätigkeit?
Flachs: Nach der Übergabe meines Betriebs und einer erfolgreichen Hüftoperation kam die Handwerkskammer Aachen auf mich zu. Ich sollte die Meisterschule für die Fleischer am Aachener Schlachthof übernehmen. Das habe ich gemacht. Es gab natürlich in der Meisterausbildung Konkurrenz in Deutschland. Der Markt war umkämpft, und da wir im Westzipfel der BRD liegen, entstand die Idee, die Meisterschule mit den belgischen Nachbarn zusammen anzubieten, in der deutsch-belgischen Meisterschule in Eupen beim ZAWM (Zentrum für Aus- und Weiterbildung des Mittelstandes).
Was waren die ersten Schritte?
Flachs: Die Handwerkskammer musste die Meisterschule am Schlachthof auflösen. Sie stellte die Geräte und Maschinen zur Verfügung, so dass wir in Eupen eine bessere Ausstattung bekamen. Darüber hinaus wurde ein Anbau geplant, den wir aber nicht umsetzen durften, wegen nachbarlichem Widerspruch. Glücklicherweise erhielten wir dann die Chance, auf einem Gelände in Eupen, in der deutschsprachigen Gemeinschaft, einen Neubau einzuziehen, den wir als Fleischer in der Bauphase mit planen konnten und nach neuesten Hygienestandards ausrichteten. Dort bieten sich hervorragende Perspektiven. Die Entwicklung war perfekt. Ich konnte dann in Eupen als Dozent arbeiten und wechselte mich im Unterricht mit den belgischen Kollegen ab.
Wie haben die Meisterschüler das deutsch-belgische Modell aufgenommen?
Flachs: Für die Teilnehmenden war es sehr angenehm. Wir hatten immer wieder neuen Nachwuchs, der in den Lehrgängen anfing. Die Prüfungen wurden angeglichen und am Ende hatten die Absolventen zwei Meisterbriefe.
Diese Erfolgsgeschichte wurde auch in der Öffentlichkeit immer stärker wahrgenommen.
Flachs: Hohe Politprominenz zeigte sich in Eupen und sagte: „Europa wird hier gelebt.“ Auf diese Schiene haben wir gesetzt. Es gab dann Fördermittel und Gelder. Wir waren schon ein sehr treibender Berufszweig und unsere Produktionsräume wurden zertifiziert. Das Fleisch, das wir zerlegten und ordnungsgemäß kühlten, konnte am nächsten Tag abgeholt und weiterverkauft werden. Qualitativ sehr hochwertig. Das Konzept läuft nahtlos bis zum heutigen Tag.
Das gab Ihnen aber auch immer einen gewissen Druck…
Flachs: Wir hatten eine große Verantwortung und durften nicht nachlässig werden, denn sonst wäre uns die Berechtigung, dort zu produzieren, entzogen worden. Dann hätte der ganze Bau da umsonst herumgestanden. Das war auch für mich persönlich immer eine ganz große Sache. Wir hatten im Fleischerhandwerk hervorragende Absolventen.
Die gemeinsame Ausbildung hatte und hat auch eine große Bedeutung für Euregio.
Flachs: Ja, das kann man so sagen. Andere Gewerke haben dann später nachgezogen und auch zusammengearbeitet.
Aber irgendwann wurden auch die Probleme für das Fleischerhandwerk größer.
Flachs: Wir sind hier im Westzipfel, hier entsteht viel gemeinsam, es gibt aber in den Lehrgängen fast nur Teilnehmer aus der Region oder von der belgischen Seite. Für andere ist die Anfahrt zu weit. Dennoch hat sich unser Konzept immer gerechnet.
Parallel zu dieser Öffnung und Erweiterung der Angebote setzte sich der Lehrlingsmangel immer weiter fort. Die Konkurrenz durch die industrielle Produktion und die Fleischangebote in den Großmärkten wurde für die handwerklichen Betriebe immer größer.
Die ÜLU (Überbetriebliche Lehrlingsunterweisung) erfolgt auch seit 2005 in Eupen. Welche Unterschiede gab es zwischen den Ländern?
Flachs: In Belgien haben die Auszubildenden keine Berufsschule. Die ÜLU lief dann schon getrennt, aber man besuchte sich gegenseitig. Die belgischen Teilnehmer hatten mehr theoretischen Unterricht und die aus Deutschland mehr praktische Anteile. Neu war jetzt, dass die deutschen Lehrlinge nach Eupen fuhren.
Aber es war ein Gewinn für beide Seiten.
Flachs: Ja, diese grenzüberschreitende Information, der Austausch ist gut. In Belgien verkaufen sie in der Regel ganz anderes Fleisch als hier in Deutschland. Die Rinder dort sind durch die spezielle Aufzucht sehr fleischhaltig. Das Fleisch ist besonders zart.
Beide Seiten konnten immer gut voneinander lernen. Wir sind nämlich in Deutschland dafür mit der Wurst ganz vorne. Da sind wir ja mit 1.500 Sorten die kreativen Weltmeister. Diese Vielfalt ist zum UNESCO-Weltkulturerbe erhoben worden. Meine Sorge für unser Metzgerhandwerk ist die Vielfalt und Frische des Handwerks durch das Abdrängen des Lebensmitteleinzelhandels mit Massenproduktion. Vieles wird nicht mehr regional produziert, stattdessen in viel Plastik verpackt. Und viele Kinder essen diese Wurst am liebsten, weil sie damit groß werden. Sie werden also entsprechend konditioniert auf künstliche Aromen und Haltbarkeitsmittel. (Siehe »Besseresser« von Sebastian Lege, ZDF)
Leider geht durch diese Entwicklung viel Wissen und Können des Fleischerhandwerks verloren. Das kann auch keine Künstliche Intelligenz ersetzen und schon gar nicht das Recht der Kinder auf eine Esskultur mit natürlichem Geschmack und Vielfalt.
Wird handwerklich erzeugtes Fleisch ein Nischenprodukt?
Flachs: Nein, das kann man so nicht sagen, es gibt noch sehr viele Fleischerfachgeschäfte, wo die junge Generation sich erfolgreich am Markt behauptet, indem sie handwerkliche Produkte herstellt aus regionaler, artgerechter Haltung, was von den Kunden sehr geschätzt wird.
Deswegen haben wir ja auch die Aachener Weihnachtsleberwurst und den Puttes europaweit schützen lassen und versuchen das auch bei der Karlswurst, um das Original zu erhalten.
Und dann haben wir in Aachen ja noch die Printe, die ebenfalls den Geoschutz für sich beansprucht. Das ist schon sehr viel für eine Stadt allein. Damit sind wir Europameister mit unserer Stadt Aachen.