Handwerkskammer Aachen - Doris Schlachter
Eine erfolgreiche Integration gelingt in hohem Maße über die Arbeit – durch den täglichen Austausch mit Kollegen und Vorgesetzten entsteht eine langfristige Bindung an Gesellschaft und Unternehmen. Beispiele: Elektrobetrieb Ohligschläger beschäftigt Hasan Mohsen (li) und die Handwerkskammer Aachen Mustafa Abdin (re).

News vom 04.03.2025Vom Flüchtling zur Fachkraft

Gute Beispiele zeigen, wie Integration gelingt, aber auch, wo die Politik nachbessern muss.

Syrische Geflüchtete spielen eine zunehmend bedeutende Rolle im deutschen Handwerk. Laut Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) arbeiten fast 80.000 syrische Fachkräfte in sogenannten Engpassberufen – also dort, wo Fachkräftemangel herrscht. Besonders das Handwerk profitiert von diesen engagierten Arbeitskräften. Trotz vieler Erfolgsgeschichten gibt es weiterhin Hürden, insbesondere bei der Aufenthaltsunsicherheit.

Ein gutes Beispiel für gelungene Integration ist der Elektrobetrieb Ohligschläger in Aachen. Inhaber Sven Ohligschläger beschäftigt Hasan Mohsen, einen syrischen Geflüchteten, der inzwischen fester Bestandteil seines Teams ist. Hasan kam ohne deutsche Sprachkenntnisse, hat sich aber schnell eingearbeitet. »Er hat einmal gesagt, dass er ein guter Elektroniker in Deutschland sei, ihm aber das Fachvokabular auf seiner Heimatsprache fehle«, berichtet Ohligschläger. Inzwischen lebt Hasan mit seiner Frau in Aachen und fühlt sich dort heimisch.

Ohligschläger ist überzeugt: »Geflüchtete sind ein wichtiger Bestandteil unseres Unternehmens. Im Handwerk geht es darum, gemeinsam ein Ziel zu erreichen – religiöse oder kulturelle Unterschiede treten da in den Hintergrund. Es zählt, was jemand kann und wie er ins Team passt.« Der Obermeister der Elektro-Innung betont auch die verbindende Kraft des Handwerks: »Das Arbeiten mit den Händen verbindet.«

Trotz positiver Erfahrungen gibt es Herausforderungen. »Ein großes Problem ist die unsichere Aufenthaltslage«, erklärt der Elektrotechnikermeister. »Viele Auszubildende und Fachkräfte mit Migrationshintergrund hangeln sich von Duldung zu Duldung. Das erschwert eine langfristige Planung – sowohl für die Betriebe als auch für die Menschen selbst.« Die Angst vor einer möglichen Abschiebung begleite viele Geflüchtete. »Wie soll sich jemand voll auf seine Arbeit konzentrieren, wenn er ständig bangen muss, ob er bleiben darf?«

Ohligschläger fordert daher von der Politik, dass Geflüchtete mit einem gültigen Ausbildungsvertrag eine sichere Perspektive bekommen: »Wer hier integriert ist und arbeitet, sollte bleiben dürfen.«

Ein weiteres Beispiel für gelungene Integration ist Mustafa Abdin. Er kam 2016 aus Syrien nach Deutschland und arbeitet heute als unverzichtbarer Mitarbeiter bei der Handwerkskammer Aachen. »Deutschland hat uns viel geboten. Ich kann gar nicht genug zurückgeben für das, was dieses Land für mich getan hat – etwas, das meine Heimat mir nie bieten konnte«, sagt er.

Abdin, der in Syrien Fachinformatik studierte, konnte sein Studium wegen des Krieges nicht abschließen. In Deutschland war es schwierig, in seinem ursprünglichen Beruf Fuß zu fassen. »Mein Studium wurde hier nicht anerkannt«, erklärt er.

Den Einstieg in den deutschen Arbeitsmarkt empfand er als herausfordernd, aber machbar: »Die Sprache war die größte Hürde. Aber ich habe Sprachkurse besucht und in einer Gastfamilie gelebt. Das hat mir geholfen.« Besonders wichtig war ihm die Unterstützung seiner Kollegen: »Egal, wo ich bisher gearbeitet habe – ich hatte immer nette Kollegen. Sie haben mich korrigiert, mir neue Begriffe beigebracht – sogar den Aachener Dialekt«, sagt er lachend.

Die Unsicherheit bleibt jedoch. Die politische Debatte über Rückkehrmöglichkeiten nach Syrien bereitet Sorgen – den Betroffenen wie den Betrieben. »Wir investieren viel Zeit und Mühe in die Ausbildung und Integration unserer Mitarbeitenden. Wenn sie aufgrund einer politischen Entscheidung zurückkehren müssten, wäre das nicht nur menschlich bedauerlich, sondern auch für den Betrieb ein erheblicher Rückschlag«, betont Sven Ohligschläger.

Auch der ZDH warnt davor, gut integrierte Fachkräfte zu verlieren. »Viele Betriebe kämpfen mit Fachkräftemangel. Es wäre fatal, wenn gut ausgebildete und engagierte Fachkräfte abgeschoben würden«, erklärt deren Präsident Jörg Dittrich.

Das gilt auch für die Nobis Printen e.K. in Aachen. Zwölf Mitarbeitende sind im Verkauf beschäftigt, zwei in der Backstube als Kommissionierer und als Produktionshelfer. »Wir sind mit unseren aktuellen syrischen Mitarbeitenden sehr zufrieden und schätzen ihren Einsatz in unserem Betrieb«, sagt Julius Nobis. »Natürlich wäre es schade, wenn die Integrationsarbeit, die gerade erst Früchte trägt, am Ende umsonst gewesen wäre. Gleichzeitig haben wir Verständnis dafür, wenn jemand nach dem Sturz des Regimes, vor dem er geflohen ist, in die Heimat zurückkehren möchte. Dort ergeben sich neue Chancen, und das Land braucht dringend Fachkräfte für den Wiederaufbau. Nichtsdestotrotz würden wir uns sehr freuen, wenn uns unsere Mitarbeitenden erhalten blieben, da sie eine wertvolle Bereicherung für unser Team sind.«

Manche syrischen Flüchtlinge seien hochmotiviert, lernten schnell und nähmen die Arbeit gut an, während andere mehr Unterstützung und Zeit bräuchten«, erzählt Julius Nobis. In der Regel zeige sich nach relativ kurzer Zeit, wer sich gut im Betrieb integrieren lasse.

Der Kontakt zu den syrischen Mitarbeitenden ist bei Nobis vor allem durch eine offene und direkte Kommunikation entstanden. »Wir pflegen ein gutes Miteinander, wodurch sich offene Stellen rasch über Mund-zu-Mund-Propaganda herumsprechen. Das ermöglicht uns, schnell neue Kolleginnen und Kollegen zu finden«, sagt Nobis. Allerdings sieht er auch bürokratische Hürden. Dazu zählen lange Bearbeitungszeiten bei Arbeitserlaubnissen sowie komplexe Visa- und Aufenthaltsregelungen. Besonders herausfordernd sei es, den Überblick über ständig wechselnde Vorschriften und Zuständigkeiten zu behalten.

Von der Politik fordert Nobis Printen, dass Mitarbeitende, die seit mehreren Jahren zuverlässig und gut in ihrem Job arbeiten, auf jeden Fall das Recht bekommen müssen, in Deutschland zu bleiben. Eine erfolgreiche Integration gelinge in hohem Maße über die Arbeit – durch den täglichen Austausch mit Kollegen und Vorgesetzten entstehe eine langfristige Bindung an Gesellschaft und Unternehmen. »Die Politik muss hier für klare und dauerhafte Lösungen sorgen, damit sowohl die Mitarbeitenden als auch die Unternehmen Planungssicherheit haben«, sagt Julius Nobis.
 

Positive Erfahrungen

Auch Jan Mohr, Inhaber eines SHK-Betriebs in Aachen, hat positive Erfahrungen gemacht. Aktuell beschäftigt er zwei Mitarbeiter aus Syrien. Einer von ihnen konnte im Rahmen der Ausbildung gewonnen werden. Er war bei einem anderen Betrieb nicht zufrieden, wechselte zu Mohr und hat Anfang des Jahres mit Bravour die Gesellenprüfung bestanden. Er arbeitet nun als Facharbeiter mit unbefristetem Vertrag im Unternehmen. Sein Kollege wurde durch das Jobcenter empfohlen. In einem Projekt, das durch das Teilhabechancengesetz finanziert wird. Er erhielt als Helfer ebenfalls einen unbefristeten Vertrag.

»Bisher dürfen wir erfreulicherweise und gegen jedes Vorurteil nur Positives berichten«, sagt Jan Mohr. »Die beiden Kollegen sind stets zuverlässig, fleißig und stellen sich jeder Herausforderung.« Die Integration funktioniere, im Betrieb existiere ein hohes Maß an Respekt, Ehre und Freundlichkeit.

Jan Mohr ist überzeugt, dass Menschen, die sich integrieren, arbeiten und sich den Regeln entsprechend verhalten, in Deutschland willkommen sind. Politisch sei dafür Sorge zu tragen, dass diese Leute dauerhaft bleiben dürfen, sofern sie es möchten. Seine beiden Beschäftigten hätten sich jedenfalls bereits ein soziales Umfeld mit Freunde und auch Familien geschaffen.