News vom 08.05.2023Fachkräfte finden, zweite Chance geben
Werkstatt-Tage in der JVA Heinsberg gaben Betriebsinhabern gute Einblicke. Alle Möglichkeiten ausschöpfen.
Von Anna Petra Thomas
Heinsberg. Feiner Blumenschmuck, vorbereitet von den im Gartenbau tätigen Häftlingen, begrüßte die Handwerker, die im April an zwei sogenannten Werkstatt-Tagen den Weg in die Justizvollzugsanstalt (JVA) Heinsberg gefunden hatten. Begrüßt wurden sie dort von den Kooperationspartnern des im vergangenen Jahr gestarteten Projekts „Handwerk im Hafthaus“. Die Vereinbarung dazu, geschlossen vom nordrhein-westfälischen Handwerk und dem NRW-Justizministerium, soll zunächst im Jugendvollzug in Heinsberg und im Erwachsenenvollzug in Bochum-Langendreer mit Leben gefüllt werden. Ziel ist es, Strafgefangenen nach ihrer Entlassung den Übergang in einen Beruf jenseits der Gefängnismauern zu erleichtern.
Elf Betriebe aus der Region waren der Einladung von JVA und Handwerk gefolgt, was die zuständigen Koordinatoren natürlich sehr freute. In der JVA sind dies Peter Lipperts als Koordinator für die berufliche und schulische Bildung, und Thomas Nyhsen als Koordinator des Projekts Handwerk im Hafthaus. Beim Westdeutschen Handwerkskammertag (WHKT), in dem die sieben Handwerkskammern aus NRW zusammengeschlossen sind, betreut Peter Dohmen das Projekt.
Dohmen freute sich über die gute Vorbereitung, die in der JVA für diese beiden Tage geleistet worden war. „Das ist eine sehr schöne Zusammenarbeit“, betonte er. Zugleich ging sein Dank aber auch an die Vertreter der Handwerkskammer Aachen, die ihre Mitgliedsbetriebe über diese neue Möglichkeit informiert hatte, Fachkräfte, an denen es derzeit überall mangelt, eventuell auch in der JVA in Heinsberg finden zu können.
Betriebe aus der Region, die der Einladung folgten, waren etwa ein Bau-, ein Elektro- und ein Gebäudereinigungsunternehmen sowie ein Messebauer aus Heinsberg, ein Kfz-Betrieb aus Wassenberg, ein Dachdecker aus Geilenkirchen oder ein Stahlbauunternehmen aus Gangelt. Aber auch von weiter her waren die Handwerker der Einladung gefolgt. So fand etwa auch Metallbauer Dietmar Harth aus Monschau den Weg in die Heinsberger JVA. „Lag auf dem Weg“, erklärte er und berichtete von einer aktuellen Baustelle seines Unternehmens in Hückelhoven.
Noch nie sei er in einem Gefängnis gewesen, erklärte er. Seine Vorbehalte räumte er ein, aber gerade sie hätten ihn auch angetrieben, sich die Heinsberger JVA einmal von innen anzuschauen. Auch er sei auf der Suche nach Fachkräften. „Man muss dafür alle Möglichkeiten ausschöpfen“, betonte er, fügte jedoch gleich hinzu: „und vielleicht auch jemandem eine zweite Chance geben.“ Eine wichtige Frage hatte er in diesem Zusammenhang auch mitgebracht. Es war die nach dem ersten Tag eines ehemaligen Gefangenen in einem Handwerksbetrieb. „Wie soll man damit umgehen?“, stellte er in den Raum. Große Erfahrungswerte damit habe man noch nicht, antwortete ihm Anstaltsleiter Jochen Käbisch. „Am besten ist aber sicher, mit offenen Karten zu spielen“, sagte er. „Es macht keinen Sinn, ein Lügengerüst aufzubauen, das man doch nicht halten kann.“
In der Metallwerkstatt und in der Schweißerei kam Harth sehr schnell mit den Ausbildern Peter Lauerbach und Marcel Kellner ins Gespräch. Er konnte dabei den jungen Strafgefangenen auch bei ihren Arbeiten an der Drehmaschine oder in der Schweißkabine zuschauen. Harth war begeistert von den vielfältigen Möglichkeiten, die den Strafgefangenen in der JVA in puncto Berufsausbildung geboten werden und brachte dabei auch den Kostenaspekt zur Sprache. Die gute Ausbildung in der JVA spare den Betrieben, die diese jungen Menschen später beschäftigen würden, hohe Kosten für Fortbildungen, erklärte er.
Dem Strafgefangenen Pascal stellte er noch einmal die Frage nach dem Umgang mit dem ersten Tag im Betrieb. „Ich kann ja meine Vergangenheit nicht rückgängig machen“, antwortete dieser. „Ehrlich sein und zeigen, was man kann“, lautet seine Devise. Kurz vor seiner Entlassung ging sein Dank an seine Ausbilder: „Hier kann man wirklich viel lernen“, sagte er. „Und hier wird geachtet auf die Jungs!“ Er selbst wird bald entlassen, kehrt in seine Heimat zurück und hat dort aufgrund seiner guten Ausbildung in der JVA schon einen Arbeitsplatz als Industriemechaniker in einem Stahlbauunternehmen sicher.
Wer sich als Handwerksbetrieb auf der Suche nach jungen, gut ausgebildeten Fachkräften gerne in der JVA Heinsberg umschauen möchte, ist auch nach den Werkstatt-Tagen jederzeit herzlich willkommen. Dafür wurde eine eigene E-Mail-Kontaktadresse eingerichtet: handwerkimhafthaus@jva-heinsberg.nrw.de
Ausbildung in der JVA: Die JVA Heinsberg bietet derzeit je 16 Plätze für die duale Ausbildung in den Bereichen Bau und Metall sowie acht im Bereich Maler und Lackierer. Hinzu kommen knapp 200 weitere Plätze für Teilqualifikationen in den Bereichen Bodenleger, Dachdecker, Fachlagerist, Fliesenleger, Gartenbau, Gebäudereiniger, Kfz, Metall und Kunststoff, Hauswirtschaft, Küchenhelfer, Landschaftsbau, Bauten- und Innenbeschichter, Schreinerei, Schweißerei und Straßenbau. Zudem bietet die JVA die Möglichkeit, einen Gabelstapler-Kurs zu absolvieren.